Ab nach Arizona: Lake Powell, Page und ein paar unerwartete Probleme

Ab nach Arizona: Lake Powell, Page und ein paar unerwartete Probleme

Eine ordentliche Reise hat immer zwei Arten von Höhepunkten: Die Geplanten und die Ungeplanten. Erfahrungen wie die Wanderung auf Angels Landing oder die Wanderungen im Sequoia NP bleiben in der Erinnerung, aber zu jeder größeren Reise gehört auch mindestens eine Fehlplanung, eine Panne, oder ein ungewolltes Ereignis, das sich meistens noch stärker ins Gedächtnis einbrennt. Die wirkliche Herausforderung unterwegs ist nicht, diese Ereignisse zu vermeiden – das klappt sowieso nicht – sondern hinterher eine denkwürdige Geschichte daraus zu machen. Bisher lief auf unserem Roadtrip alles glatt, wir hätten also eigentlich vorgewarnt sein müssen 🙂

Unser Morgen in Torrey startet aber zunächst mit einem der besseren Frühstücksbuffets der Reise: Heute gibt es neben den üblichen Waffeln und Muffins sogar Bratwürstchen und Rührei. Nicht gesund, aber für einen langen Tag unterwegs genau richtig.

Durchs Grand Stairase Escalante NM zum Lake Powell

Der größte Teil des Tages findet heute auf der Straße statt: Da von Torrey aus kein direkter Weg südlich durch das Grand Staircase Escalante NM führt, fahren wir heute die Strecke der letzten beiden Tage wieder zurück. Das gibt uns zwar Gelegenheit, die wirklich wunderschöne Strecke der State Route 12 ein zweites Mal auf uns wirken zu lassen, danach folgt aber noch einmal eine gleich lange und weniger spannende Strecke, bis wir unseren vorgebuchten Campground am Lake Powell bei Page, AZ erreichen.

In Kanab kurz vor der Grenze nach Arizona halten wir für eine Mittagspause, füllen den Tank auf, wechseln uns nochmal am Steuer ab und fahren dann entlang der Vermillion Cliffs nach Osten in Richtung Page. Kurz nach Kanab öffnen sich allerdings die Schleusen und es fängt an zu regnen. Das ist in der Wüste zwar ein sehenswerter Anblick, hebt unsere nach der langen Fahrt etwas angespannte Laune aber nicht unbedingt.

Eine letzte Nacht im Zelt

Page hat zwar nur knapp 7000 Einwohner, ist damit aber im weiten Umkreis die größte menschliche Ansiedlung. Entstanden ist sie erst in den 1950er Jahren, als für den Bau des Glen Canyon Dam eine Siedlung für die auf der Baustelle beschäftigten Arbeiter gebraucht wurde. Nach Fertigstellung der Staumauer entstand in der Schlucht des Colorado River mit dem Lake Powell der zweitgrößte Stausee der USA, der auch ein beliebtes Urlaubsziel ist. Genau dort wollen wir auf dem Wahweap Campground, einem privaten Campingplatz mit Blick auf den See, unser Zelt aufschlagen. Es gibt Duschen, einen Laden und sogar WiFi auf dem Platz, insgesamt deutlich komfortabler als auf den staatlichen Plätzen, wenn auch etwas teurer. Genau im Moment unserer Ankunft hört auch der letzte Schauer auf und wir können unser Zelt im Trockenen aufschlagen.

Das Wetter hält leider nur kurz, schon als wir die letzten Heringe einschlagen setzt der nächste Schauer ein, dazu kommen unschöne Windböen, denen sich in der offenen Landschaft kein Hindernis in den Weg stellt. Hätten wir unseren morgigen Besuch am Grand Canyon schon hinter uns, wüssten wir, dass wir es mit dem Ausläufer des pazifischen Monsuns zu tun haben und hätten vielleicht Maßnahmen ergriffen. So suchen wir erst einmal alle Abspannschnüre und Heringe zusammen, die wir finden können und verankern das Zelt bombenfest im Sand. Trotz der von Nico ausgemalten apokalyptischen Szenarien wollen wir hier nicht den ganzen Nachmittag im Regen festsitzen und beschließen, uns in Page umzusehen. Hier dürfen wir die Uhr übrigens wieder eine Stunde zurückstellen, da in Arizona (abgesehen von den Gebieten der Navajo Nation) zwar wie in Utah Mountain Time gilt, allerdings ohne Sommerzeit.

Glen Canyon Dam

Erstes Ziel ist das Carl Hayden Visitor Center am Glen Canyon Dam, wo jede halbe Stunde Führungen ins Innere der Staumauer starten. Wir registrieren uns und verbringen die Wartezeit in der Ausstellung zur Entstehung von Damm und See. Dann folgt eine Sicherheitskontrolle, gegen die jedes Flughafenterminal alt aussieht.

Page
Die Felsen am Seeufer zeigen, wie hoch das Wasser hier eigentlich stehen sollte

Mit unserer Tourleiterin, die dem hier stark vertretenen Volk der Navajo angehört, fahren wir dann zuerst auf die Krone der Staumauer, dann bis hinunter in die Tiefen der Mauer und werfen auch einen Blick in das Turbinenhaus des Wasserkraftwerks. Die Zeit und die Eintrittsgebühr lohnen sich hier für jeden, der sich auch nur ein bisschen für Technik begeistert.

Horseshoe Bend

Das Pflichtziel in der Gegend um Page ist aber der Horseshoe Bend, wo der Colorado River in einer fast zu perfekten Schleife seinen Canyon in das Plateau eingeschnitten hat. Fotos davon hat garantiert jeder schon gesehen. Der zugehörige Parkplatz ist kaum zu übersehen, von dort führt ein unbefestigter Weg über 300 Meter zum Rand des Canyons.

Page
Horseshoe Bend ist einfach ein unbeschreiblich perfektes Stück Natur

Ein wunderschöner Anblick, allerdings sind hier so viele Menschen unterwegs, dass man wörtlich genommen Schlange steht, um auf den besten Felsen ein Foto schießen zu dürfen. Wir halten uns am Rand der Menge und drehen bald wieder um, weil sich auch der in der letzten Stunde zahme Himmel wieder bedenklich zuzieht.

Monsun? In der Wüste??

Auch wenn Nico bezogen auf das Schicksal unseres Zelts weiter von den schlimmsten Szenarien ausgeht, kümmern wir uns vor der Rückfahrt noch um ein Abendessen. Dazu findet sich im Süden von Page Jack in the Box, wo wir den nächsten Schauer trocken überstehen. Mit mehr oder weniger schlimmen Vorahnungen fahren wir zurück zum Campground, der in weiten Teilen keinen guten Eindruck macht. Viele Zelte haben sich losgerissen oder sind umgeworfen. Unser Zelt ist aber noch da, wir atmen auf und ich lobe mich selbst für meine meisterhafte Sturmsicherung.

Leider zu früh: Beim Gang um das Zelt herum zeigt sich, dass nur noch die vordere Hälfte steht und im hinteren Teil die Zeltstangen unter der Windlast komplett zersplittert sind :O Aber die Abspannschnüre haben gehalten…

An Camping ist vorerst nicht mehr zu denken und wir machen uns auf die Suche nach Alternativen. Da wir nicht die einzigen Obdachlosen sind ist das WiFi des Platzes komplett überlastet und ein kurzer Blick in die Hotelportale zeigt uns, dass am Samstagabend in Page kein Zimmer unter 400 $ zu bekommen wäre. Wir bestatten unser Zelt im nächsten Container und fassen den Plan, in benachbarten Orten nach einem Motelzimmer zu suchen. Das bedeutet leider, dass wir im strömenden Regen 120 km zurück nach Kanab fahren müssen. Unterwegs versuche ich erfolglos, online ein freies Zimmer zu finden.

Die Jagd nach dem letzten Hotelzimmer

In Kanab angekommen klappern wir nacheinander alle Unterkünfte ab, die wir finden können. Leider nimmt uns schon der Angestellte im ersten Motel jede Illusion mit der Aussage, dass der ganze Ort komplett ausgebucht sei. Zu allem Überfluss müssen wir die Uhr hier wieder eine Stunde vorstellen, vor Ort ist es nun nach 21 Uhr. Es folgt eine Stunde voller enttäuschter und wiedererwachender Hoffnung, wir halten überall an, wo wir ein Schild mit „Vacancy“ leuchten sehen, es zeigt sich aber, dass die Angestellten meistens nur vergessen haben, das Schild abzuschalten, nachdem sie das letzte Zimmer vergeben haben. Der größte Tiefschlag kommt von einer jungen Rezeptionistin, die uns zuerst fröhlich strahlend ihr letztes Zimmer verspricht, bevor ihr nach einem Blick auf ihren Monitor die Gesichtszüge entgleisen und sie nur noch ein „I’m soooo sorry!“ hervorbringt. Ab diesem Punkt wird es tragisch komisch, wir treffen immer wieder andere Touristen in der gleichen Notlage, trotz der direkten Konkurrenz wünscht man sich besten Erfolg und es entsteht sogar ein Gemeinschaftsgefühl, wenn man sich an der nächsten Rezeption wieder trifft. Nach 22 Uhr und 12 Motels stehen wir vor der Kapitulation und stellen uns auf eine Nacht im Auto ein.

Ein Blick auf die Karten-App zeigt mir, dass etwa 15 Meilen südlich, schon wieder in Arizona – dort ist also wieder 21 Uhr – noch der winzige Ort Fredonia liegt, wo eine kurze Internetsuche zwar keine Treffer für Unterkünfte liefert, wir uns aber eine halbwegs geschützte Parkmöglichkeit für die Nacht erhoffen. Die Siedlung sieht nicht vielversprechend aus, aber am vorletzten Gebäude der Main Street sehen wir ein leuchtendes Schild mit der Aufschrift: Vacancy!

Horror in Bates Motel

Ab hier betrachten wir das Folgende zunächst aus Perspektive von Nico und Christopher, die im Auto bleiben: Michael springt aus dem Auto, betritt das spärlich beleuchtete Gebäude und verschwindet um die Ecke. Dann passiert zunächst für eine sehr lange Zeit nichts. Im Auto dämmert die Einsicht, dass wir den einen Fehler begangen haben, den man als Gruppe in einem Horrorfilm nie begehen darf: Wir haben uns getrennt. Als Antwort darauf nähert sich ein hinkender, bärtiger alter Mann von innen der Türe und macht sich daran zu schaffen, bevor er wieder im Gebäude verschwindet. Die Gruppe malt sich zunehmend das Szenario aus, mich nicht in einem Stück wiederzusehen.

Wir wechseln in meine Perspektive: Ich springe aus dem Auto, verschwinde im Gebäude, biege um die Ecke und stehe in einem Wohnzimmer, wo ein sehr altes Ehepaar vor dem Fernseher sitzt. Ich frage nach freien Zimmern, der Mann bestätigt, dass noch exakt eines frei sei und ich sage zu, bevor ich auch nur auf die Idee komme, nach dem Preis zu fragen. Die beiden, die freundlich, aber auch etwas merkwürdig wirken, kümmern sich im gemächlichen Tempo, uns einzuchecken. Die Frau packt eine gewaltige Lupe aus, um meine Kreditkartendaten zu notieren. Während ich ihr helfe verschwindet der Mann kurz, um das „Vacancy“-Schild am Eingang auszuschalten. Erst nach einer knappen Viertelstunde erscheine ich dann mit dem alten Mann wieder im Blickfeld meiner erleichterten Kollegen.

Fredonia
Ein Albtraum aus Eisenhowers Zeiten

Zum Zimmer ist nicht viel zu sagen: Es ist ordentlich, aber nicht sauber. Es war maximal zu Zeiten von Präsident Eisenhower modern. Und es riecht. Wonach erfahren wir morgen. Aber es ist einer Nacht im Auto vorzuziehen und für 44$ immerhin günstig. Da die Bettlaken unschöne Flecken haben bleiben wir bei unserem Plan, heute zu campen und schlagen auf den Betten unser Lager in den Schlafsäcken auf. Gegen 22:30 Uhr endet dann auch dieser Tag.



Torrey nach Kanab: 175 Meilen / 281 Kilometer
Kanab nach Page: 74 Meilen / 119 Kilometer
Page über Kanab nach Fredonia (ungeplant): 81 Meilen / 130 Kilometer

Tankfüllung: 19,50 $
Tankfüllung: 15,67 $
Campground: 26,08 $
Tour Glen Canyon Dam: 15,00 $
Jack in the Box: 26,60 $
Motel: 44,00 $

Michael

Hallo, ich bin Michael. Wenn ich nicht im Alltag mit Statistiken und Zahlen jongliere genieße ich es, die Welt zu erkunden.

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