Busse, Steinkreise und Klippen auf Lewis

Busse, Steinkreise und Klippen auf Lewis

Dieser Post ist Teil der Serie Isle of Harris & Lewis
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Meine Nachtruhe wird zwar mehrmals durch ein in der Nähe blökendes Schaf unterbrochen (ob es wirklich das von uns hierher verfolgte Lamm ist können wir nicht überprüfen), aber die Betten in Roddys Bunkhouse sind tadellos. Auch heute Morgen strahlt der Himmel wieder blau und wolkenlos.

Drinishader
Was für ein Frühstück 🙂

Heute gibt es zum ersten Mal seit Broadford wieder Gelegenheit, den Tag mit einem Full Scottish Breakfast zu starten. Wir sind bei der Buchung auf die Option aufmerksam geworden und kurz nach 8 Uhr kommen tatsächlich Roddy mit seiner Frau und einem Backblech voller Rührei, Speck, Würstchen, Black Pudding, Pilzen und Tomaten. Die Laune steigt noch weiter als Nico ankündigt, lieber bei Toast mit Konfitüre zu bleiben 🙂 Das Frühstück ist köstlich und wir stehen kurz vor 9 Uhr gesättigt und zufrieden an der Hofeinfahrt, um uns vom Bus Richtung Tarbert aufsammeln zu lassen. Ich bereue schon ein wenig, hier auf Harris nur eine Übernachtung vorgesehen zu haben. Die karge Landschaft und die perfekte Unterkunft hier haben ihren ganz eigenen Reiz. Ein lohnendes Ziel wären zum Beispiel noch die Strände im Westen von Harris gewesen, die zu den schönsten der Welt zählen.

Apropos Bus: Ich war schon bei der Vorbereitung fasziniert, wie dicht das Netz von Buslinien hier auf den Äußeren Hebriden ist. Man kommt problemlos in jedes noch so kleine Dorf, sogar die Taktung der Busse ist überraschend dicht. Heute wollen wir die sich damit verbundenen Möglichkeiten voll ausnutzen und dafür nicht weniger als sechs verschiedene Buslinien in Anspruch nehmen. Auf der ersten kurzen Etappe sind wir gleich die Hauptattraktion: Drei Deutsche mit riesigen Wanderrucksäcken in einem Kleinbus mit 30 Schulkindern 🙂 Nach einem kurzen Zwischenstopp in Tarbert verlassen wir dann mit der nächsten Buslinie Harris in Richtung Norden nach Lewis.

Callanish
Anders als auf Harris ist die Landschaft auf Lewis flach und unscheinbar

Für uns war anfangs etwas verwirrend, dass Harris und Lewis als getrennte Inseln behandelt werden, obwohl sie das offensichtlich nicht sind. Zusammengenommen ist die Isle of Harris and Lewis sogar die drittgrößte Insel des britischen Archipels nach Großbritannien und Irland, sie wird aber nördlich von Tarbert von West nach Ost von einer hohen Bergkette geteilt, die früher kaum überwunden werden konnte. Deshalb konnten sich im Norden und Süden komplett eigenständige Identitäten bilden und erhalten. Aber auch geographisch könnte der Kontrast nicht größer sein: Nach der hügeligen und felsigen Mondlandschaft von Harris wirkt die völlig ebene, aus riesigen Torfmooren bestehende Landschaft von Lewis eintönig und immer auch ein wenig trübselig. Nördlich der Berge fahren wir auch zum ersten Mal auf dieser Reise unter einer dichten Wolkendecke, die Regen verheißt.

Steinkreise

Bei Cameron Terrace wechseln wir den Bus und fahren noch rund 20 Minuten Richtung Westküste nach Callanish. Dort wartet die größte Attraktion der Insel auf uns: Die Callanish Standing Stones. Doch vorher zuerst noch ein weiterer Ausbruch schottischer Liebenswürdigkeit: Unsere Busfahrerin erkundigt sich über unsere weitere Route und verkündet freudestrahlend, dass wir unsere Rucksäcke gerne bei ihr im Bus lassen könnten, weil wir auch den nächsten Teil unserer Strecke mit ihr fahren werden. Wir nehmen dankend an und sind für die nächste Stunde um jeweils 25 Kilogramm erleichtert.

Callanish
Kleiner als Stonehenge, aber dem großen Bruder in allen Belangen überlegen: Die Callanish Standing Stones

Die Callanish Standing Stones sind nach Stonehenge die zweitgrößte Steinanlage der Megalithkultur. Anders als beim bekannteren großen Bruder in Südengland kann man sich hier aber weitgehend frei zwischen den Steinen bewegen. Besonders ist, dass die zentrale Anlage noch vollständig erhalten ist. Die Steine bilden hier ein keltisches Kreuz mit einem Kreis im Zentrum. In der Umgebung gibt es weitere, kleinere Steinkreise, die wir aber auslassen, da wir die benötigte Zeit für den Weg dorthin nicht sicher abschätzen können.

Für Highland-Verhältnisse ist hier ordentlich Betrieb, allerdings kommen die meisten Besucher als Welle mit dem Reisebus und verschwinden entsprechend nach 20 Minuten auch wieder. Sobald Stille eingekehrt ist verbreiten die bis zu fünf Meter hohen Steine vor dem bewölkten Himmel und vor dem Hintergrund der Torfmoore und Meeresbuchten eine ganz eigene Stimmung. Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, dass hier regelmäßig zur Sonnenwende Besucher aus ganz Europa zusammenkommen, um keltische Rituale nachzustellen. Nach diversen Fotos und Umkreisungen der Steine werfen wir noch einen Blick auf die Ausstellung im kleinen Visitor Center. Die übrige Wartezeit bis zur Ankunft des Busses verbringen wir bei einem Kaffee mit Blick auf die Steine. Wieder eine Ecke von Schottland, für die man locker zwei Tage hätte einplanen können. Etwas weiter im Westen von Lewis hätten auch noch ein alter Wehrturm in Dun Carloway und das Gearrannan Blackhouse Village, wo man auch in einem einfachen Hostel übernachten kann, gute Besuchsziele abgegeben.

Stornoway

Wir werden wie versprochen von unserer schon bekannten Busfahrerin abgeholt. Unser Gepäck ist natürlich auch noch wohlbehalten im Laderaum (es gab nur einen kurzen Schockmoment, weil einer der Rucksäcke außer Sicht gerutscht ist und nicht sofort zu finden war). Nächster Halt ist Stornoway, die einzige richtige Stadt der Äußeren Hebriden, wo wir eine halbe Stunde später ankommen.

Nach der kargen Moorlandschaft stehen wir plötzlich inmitten einer schön restaurierten Altstadt mit bunten Häusern, einem kleinen Fischerhafen und einem großen Landschaftspark mit alten Bäumen (die ersten Bäume seit Portree) und einem großen Herrenhaus darin. Auch die Sonne lässt sich wieder blicken als wir durch die Fußgängerzone schlendern. Die Zivilisation hat uns wieder. Wir steuern aber nur kurz unser Hostel für die kommende Nacht an, lassen unser Gepäck dort und stocken unseren Proviant im nächsten Supermarkt auf.

Stornoway
Auf den Hebriden ist das Gälische nicht nur Folklore, sondern wird immer noch im Alltag gesprochen

Gegen 15 Uhr startet der für heute vorletzte Bus, der uns zum Butt of Lewis, dem nördlichsten Punkt der Äußeren Hebriden und damit auch unserer gesamten Reise bringen soll.

Butt of Lewis

Die Fahrt dauert knapp eine Stunde, die Landschaft ist zwar eintönig, hat aber auch etwas. Im Westen sehen wir immer wieder den Atlantik, der von endlosen Sandstränden gesäumt wird. Wären die Temperaturen hier nur 5°C wärmer würden die Hebriden locker den Mittelmeerinseln die Badetouristen abspenstig machen. Je weiter wir uns von Stornoway entfernen, desto deutlicher werden die Hinweise auf die gälische Kultur und Sprache, die hier immer noch gepflegt werden. Auch unser Fahrer unterhält sich bei den vielen kleinen Zwischenstopps mit den Leuten vor Ort auf Gälisch. Typisch für das Leben auf den Inseln ist, dass man immer mehrere Jobs hat, um den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen. Unser Fahrer arbeitet auch nur halbtags als Busfahrer, daneben ist er als Mechaniker tätig und fungiert während seiner Bustouren gleichzeitig als Lieferdienst: Wir halten an mehreren Häusern, unser Fahrer lädt einmal einen Satz Autoreifen aus, dann eine Gasflasche, dann verschwindet er in seinem eigenen Haus, um seine Katze zu füttern. Das Leben hier auf den Inseln ist sicher nicht luxuriös, die Menschen hier bestechen aber durch das Fehlen jeder Hektik und durch ihre Herzlichkeit.

Nicht weit von der Nordspitze der Insel gibt es einen kleinen Sandstrand
Butt of Lewis
Butt of Lewis
Hier an der Nordspitze von Lewis gibt es nur noch Schafe und Klippen
Butt of Lewis
Butt of Lewis
Der Leuchtturm an der Nordspitze von Lewis
Ansonsten prägen Klippen das Bild
Butt of Lewis
Kalt. Da hilft auch der Golfstrom nicht viel 😉
Hier gehts zum Butt of Lewis – auf gälisch
Butt of Lewis
Klippen am Butt of Lewis
Butt of Lewis

In Eoropie lassen wir uns absetzen, versichern uns noch einmal, wann der letzte Bus zurück nach Stornoway hier hält und machen uns dann auf den knapp zwei Kilometer langen Weg zum Leuchtturm am Butt of Lewis. Hier gibt es außer Schafen, grünen Wiesen, Weidezäunen und dem blauen Himmel tatsächlich nichts mehr. Außer zwei anderen Besuchern mit einem Wohnmobil sind wir hier für den Rest des Nachmittags völlig alleine. Den Leuchtturm kann man leider nur von außen besichtigen, dafür gibt es für Vogelfreunde hier mehr als genug zu sehen: In den 20 Meter hohen Klippen nisten unzählige Papageientaucher.

Butt of Lewis
Hier wäre der nördlichste Punkt unserer Reise erreicht

Nach Westen hin folgen wir ein Stück weit dem Rand der spektakulären Klippen und suchen uns einen guten Platz, um den Blick auf den offenen Atlantik auf uns wirken zu lassen. Wir haben über vier Stunden Zeit, bis der letzte Bus nach Stornoway abfährt und lassen in der Zwischenzeit die Seele baumeln. Den sehr entspannten Rückweg nach Eoropie unterbrechen wir dann noch für einen Abstecher zu einer kleinen Bucht, die zwischen den aufragenden Klippen sogar einen kleinen Sandstrand bietet.

Zurück nach Stornoway

Der Bus holt uns verlässlich um 20:30 Uhr ab und wir kommen als einzige Fahrgäste eine Stunde später wieder am Hafen von Stornoway an. Unsere heutige Unterkunft ist das Heb Hostel direkt im Zentrum. Es liegt in einem schön sanierten Wohnhaus, unser Zimmer hat neben drei Stockbetten deshalb auch seinen eigenen Kamin mit Marmoreinfassung und schönen Stuck an der Decke.

Stornoway
Herrschaftlich: Unser Zimmer im Heb Hostel für heute Nacht

Am Kaminfeuer in der Lounge kommen wir noch mit einer Engländerin ins Gespräch, die uns dringend empfiehlt, bei der nächsten Gelegenheit einmal die komplette Inselkette von Barra im Süden bis Lewis im Norden zu besuchen, wie sie selbst es schon mehrmals gemacht hat. Wir speichern das als gute Idee für die nächste Tour. Unser Zimmer teilen wir uns mit einem Geschäftsmann und einem Rucksacktouristen aus Edinburgh, von dem wir auch noch ein paar gute Tipps für die Hauptstadt bekommen, bevor auch dieser Tag zu Ende geht.

Drinishader über Tarbert nach Callanish: 70 Kilometer
Callanish nach Stornoway: 28 Kilometer
Stornoway nach Eoropie und zurück: je 46 Kilometer
Michael

Hallo, ich bin Michael. Wenn ich nicht im Alltag mit Statistiken und Zahlen jongliere genieße ich es, die Welt zu erkunden.

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