Mount Rainier & zurück nach Seattle

Mount Rainier & zurück nach Seattle

Alles auf Anfang: Auch wenn ich mir das heute beim Aufwachen in Boise, Idaho noch nicht wirklich vorstellen kann, heute Abend werden wir wieder am Ausgangspunkt der Reise in Seattle sein. Google Maps sagt, dass es bis dahin runde 850 Kilometer und 8,5 Stunden Fahrtzeit sind. Darin eingerechnet ist schon der kleine Umweg zu unserem siebten Nationalpark, dem Mount Rainier in Washington, um dem Tag neben der reinen Streckenbewältigung ein angemessenes Ziel zu geben 🙂

Der Tag startet, wie man sich ihn nur wünschen kann: Boise erwacht unter klarem Himmel, die Kuppel des State Capitol reflektiert die Morgensonne und es gibt wider Erwarten warmes Frühstück im Hotel 😀 Wir stärken uns also mit Waffeln, Würstchen, Toast und Rührei für die Etappe, saugen die neuesten Wahlkampf-Dummheiten des Möchtegern-Präsidenten aus dem im Hintergrund laufenden Frühstücksfernsehen und sind kurz vor 9 Uhr auf der I 84 Richtung Nordwesten.

Die längste Etappe

Das Fahren auf der Interstate ist nicht wirklich spannend, dafür aber entspannt. Das erste Stück der Strecke durch Idaho ist landschaftlich die direkte Fortsetzung der Etappe von gestern, mit braunen Hügeln am Horizont und großen Feldern zu beiden Seiten des Highways. Irgendwo müssen die berühmten Kartoffeln ja wachsen. Am Auffälligsten: Entlang fast jedes Highways in den USA findet man Schilder, die mal mehr, mal weniger freundlich davor warnen, Müll wegzuwerfen. Mit dem Aufräumen nach Unfällen sieht man es hier nicht so eng: Unser Teilstück der I 84 ist alle paar Meter mit Fetzen von geplatzten Reifen und Plastikteilen übersät, manche davon so groß, dass man definitiv einen Schaden am eigenen Auto riskiert, wenn man nicht ausweicht. Auch die vielen Bremsspuren machen klar, dass die Strecke hier ein gefährliches Pflaster ist.

Idaho Oregon
Der Snake River an der Grenze von Oregon und Idaho

Im relativ leeren Idaho gilt netterweise ein Tempolimit von 80 mp/h, also 129 km/h, mit dem man angenehm und zügig vorwärts kommt. Da jeder Bundesstaat seine eigene Geschwindigkeitsobergrenze festlegt werden wir an der Staatsgrenze zu Oregon leider auf 70 mp/h (113 km/h) abgebremst, ohne dass sich dafür ein offensichtlicher Grund finden ließe. Die östlichen zwei Drittel von Oregon sind fast menschenleere Wüste, die so überhaupt nicht dem Bild entspricht, das ich von diesem Bundesstaat hatte. Es sieht fast so kahl aus wie ich es aus Nevada gewohnt bin. In den drei Stunden, die wir für die gut 200 Meilen durch Oregon brauchen, sehen wir kaum Städte, nur in Baker City und Pendleton zeigt sich menschliches Leben. Dafür gibt es immer wieder schöne Rastplätze und Aussichtspunkte, die die Fahrt auflockern. Die trockene Landschaft ändert sich von sanften Hügeln zu den höheren Ketten der Blue Mountains, wo wir dann auch wieder ein Stück durch dichten Wald fahren.

Deshalb liebe ich das Autofahren in den USA: Endlose Weiten im staubtrockenen Oregon 🙂

Kurz vor Pendleton erreichen wir am Emigrant Hill den Westhang der Blue Mountains, wo sich heute dank des perfekten Wetters und klarer Sicht ein grandioser Blick über die Ebene des Columbia River bis zu den Cascade Mountains weit im Westen bietet. Aus der Bergkette sticht der komplett vergletscherte Vulkangipfel des Mount Adams hervor, des zweithöchsten Berges in Washington State. Der schneebedeckte Gipfel ist für den Rest der Fahrt unser Orientierungspunkt. Am Emigrant Hill schraubt sich die Interstate in ein paar beeindruckenden Kehren nach unten in die Ebene und überquert nach weiteren 50 Meilen bei Umatilla als I 82 und den Columbia River, die Grenze zu Washington State.

Idaho Oregon
Genialer Ausblick: Auch wenn die Windschutzscheibe etwas Wasser vertragen könnte sieht man vom Emigrant Hill bis weit nach Westen

Ein Grund zur Freude: in Washington sind zumindest wieder 75 mp/h Höchstgeschwindigkeit erlaubt. Auch der östliche Teil dieses Bundesstaates ist durch den Regenschatten der Cascade Mountains trocken und karg, im Gegensatz zu Oregon gibt es hier entlang des Yakima River aber dank Bewässerung Landwirtschaft und sogar Weinanbau im großen Stil. An jeder Ausfahrt locken Schilder zu Weinverkostungen und Lagerverkäufen.

Auch der Jeep meldet langsam Durst an und wir stoppen bei Richland kurz zum Auftanken. Ein fast vergessenes, aber aus dem letzten Urlaub in California wohlbekanntes Problem tut sich wieder auf: Die Zapfsäule will die zur Kreditkarte gehörige Postleitzahl wissen. Bei in den USA ausgestellten Karten wird dieser ZIP-Code standardmäßig hinterlegt, nicht aber bei deutschen Karten. Auch die bewährten Workarounds (beliebige Zahlenkombinationen oder die deutsche PLZ eingeben) helfen nicht und wir fahren unverrichteter Dinge abseits der Interstate weiter. Erst nach 20 Meilen findet sich die nächste Tankstelle, die schon ein wenig in die Jahre gekommen zu sein scheint. Ich bin guter Dinge, erfahrungsgemäß kommt man an alten Zapfsäulen leichter an Benzin und tatsächlich klappt es. Die Weiterfahrt nach Seattle ist gesichert 🙂

Idaho Oregon
Ein bisschen dunstig, aber am Horizont hat man schon aus Oregon den Mount Adams, den zweithöchsten Berg der Cascades im Blick

Nach einer weiteren Stunde Fahrt durch das  Yakima Valley zwischen Weinbergen und Zitronenhainen, immer mit dem vergletscherten Mount Adams vor uns, kommt kurz nach 14 Uhr endlich unser Zwischenziel Yakima in Sicht. Meine Schicht am Steuer ist hier vorbei und wir gönnen uns ein spätes Mittagessen bei Jack in the Box.

Durch die Cascade Range zum Mount Rainier

Gut gesättigt mit Tacos und Churros und mit Nico hinter dem Lenkrad geht es auf zur nächsten Etappe. Da wir extrem gut in der Zeit liegen bleibt es beim Abstecher zum Mount Rainier und wir verlassen nach Umatilla die Interstate. Auf der US 12 und der US 410 geht es durch immer tiefer werdende Täler entlang des Naches River nach Westen.

Um Yakima wird reichlich Obst angebaut und entlang der Straße warten Verkaufsstände mit Äpfeln und Kirschen. Je tiefer wir in die Cascade Mountains vordringen, desto spärlicher werden die Siedlungen. Hier im Wald findet man nur einige verstreute Häuser, Sägewerke und Ferienhäuser am Fluss.

Mount Rainier
Am Chinook Pass

Nur von unserem Ziel, dem Mount Rainier, war bisher noch überhaupt nichts zu sehen. Nach anderthalb Stunden erklimmt die US 410 den 1656 Meter hohen Chinook Pass. Der Auftritt des Mount Rainier ist perfekt inszeniert: Wir durchqueren auf der Passhöhe das Eingangstor zum Mount Rainier National Park und im gleichen Moment kommt der massive, schneebedeckte Vulkangipfel zum ersten Mal ins Bild. Der mit 4932 Metern höchste Gipfel der Cascade Mountains erhebt sich mit seiner gewaltigen Eiskappe zwischen seinen Nachbarn, davor liegen grüne Bergwiesen und der Tipsoo Lake, ein idyllischer Bergsee. Ein absolut umwerfendes Bild.

Mount Rainier & Sunrise

Der Mount Rainier National Park umfasst den gleichnamigen Gipfel und einige der umliegenden Täler und wurde 1899 unter Schutz gestellt. Für Besucher erreichbar sind aus allen Himmelsrichtungen mehrere Parkabschnitte zugänglich, die jeweils einen ganz eigenen Blick auf den Berg ermöglichen:

  • Paradise im Süden mit dem historischen Paradise Inn aus dem frühen 20. Jahrhundert ist dank seiner Erreichbarkeit von Seattle und Tacoma aus der meistbesuchte Parkabschnitt und der einzige, der auch im Winter zugänglich ist.
  • Longmire im Südwesten liegt tiefer und bietet jede Menge Wanderwege und Campingplätze für längere Aufenthalt
  • Sunrise an der Ostflanke des Berges ist mit gut 1900 Metern Höhe der höchste für Fahrzeuge erreichbare Punkt im Park und bietet neben Blicken auf die vergletscherte Nordostflanke des Mount Rainier Zugang zu mehreren Bergwiesen und einem großen Netz von Wanderwegen.
Mount Rainier
Die letzte Kehre vor dem Ziel 🙂

Der Weg zum Sunrise Visitor Center führt aus dem Tal über eine abenteuerlich schmale Straße mit scharfen Kehren wieder nach oben. Ich bewundere den Mut der Besucher, die diese Strecke mit Wohnmobilen in Angriff nehmen, ich würde mir das nicht antun. Der Ausblick von oben ist aber fantastisch: Sunrise liegt auf einem langgestreckten Grat und der Blick schweift in alle Richtungen über die Gipfel der Cascade Mountains. Der atemberaubende Blick auf den Schneebedeckten Mount Rainier, der von hier aus zum Greifen nah wirkt, überstrahlt aber alles. Der Emmons Glacier, den wir von hier aus im Blick haben, ist der größte Gletscher in den USA mit Ausnahme Alaskas. Mit blauem Himmel und Sonnenschein haben wir außerdem noch einmal richtig Glück gehabt 🙂

Mount Rainier
Wie der Name schon sagt ist Sunrise eigentlich eher ein Ziel für den Vormittag… zumindest wenn man fotografieren möchte

Am Ende der Bergstraße warten die historische Sunrise Lodge, die gerade saniert wird und das malerische Sunrise Visitor Center im Blockhausstil inmitten der grünen Bergwiesen. Innen hat man durch ein riesiges Panoramafenster auch bei Regen einen umwerfenden Blick auf den Gipfel und den Emmons Glacier. In der kleinen, aber feinen Ausstellung erfährt man, dass Mount Rainier ein schlafender, aber immer noch aktiver Vulkan ist. Durch die Eismassen auf seinem Gipfel und die Nähe zu den Metropolen Seattle und Tacoma hätte ein Ausbruch noch dramatischere Folgen als die Explosion des benachbarten, nur halb so großen Mount St. Helens im Jahr 1980. Schwer vorstellbar, so majestätisch der Berg heute im Sonnenschein daliegt.

Inzwischen ist es kurz vor 17 Uhr. Viel Zeit für ausgiebige Wanderungen bleibt deshalb nicht, aber wir wollen zumindest noch ein wenig in der warmen Nachmittagssonne baden und nehmen ein kurzes Stück des Sourdough Ridge Trails in Angriff, der über eine grüne, mit Bergblumen bedeckte Wiese ein Stück weiter nach oben führt. Der Weg führt entlang der gesamten Länge des Grates, auf dem Sunrise liegt und bietet nach Norden Blicke bis zum Mount Baker an der kanadischen Grenze. Wir kosten diesen letzten Stopp in der Natur noch einmal voll aus, bevor wir nach einer guten Stunde die letzte Etappe bis Seattle in Angriff nehmen.

Back to Seattle

Die Fahrt von Sunrise bergab ist nichts für schwache Gemüter, sowohl Gegenverkehr als auch die tiefstehende,vom Gletscher reflektierende Sonne und die Abgründe, die sich neben der Straße auftun, machen die Fahrt zum kleinen Abenteuer. Ab hier sind die restlichen 140 Kilometer bis Seattle relativ unspektakulär. Nach einer weiteren Stunde durch einsame Täler kommen wir wieder in den Bereich der Zivilisation zurück, dann geht es durch die endlosen Vororte im Südosten Seattles bis wir die I 5 und kurz darauf die Ausfahrt zum Flughafen SeaTac erreichen. Die 6000-Kilometer-Rundtour ist damit offiziell komplett 🙂

Unsere Unterkunft für die letzten zwei Nächte haben wir wieder über AirBnB gebucht, bei aller Kritik an den Nachteilen des Konzepts gibt es meiner Meinung nach einfach keine bessere Möglichkeit, wenn man als Gruppe in größeren Städten unterwegs ist. Unsere Gastgeberin Elena hat uns den Zugangscode für unser Appartement gestern Abend per Mail durchgegeben, wir können also problemlos einchecken und ich will mich nach den 870 Kilometern erst einmal nur noch auf die Couch fallen lassen.

Seattle
Lässt keine Wünsche offen: Unser AirBnB-Appartement in Columbia City

Elena vermietet im Untergeschoss ihres Hauses eine eigene Wohnung mit großem Wohnbereich, offener, komplett ausgestatteter Küche, Bad und einem getrennten Schlafzimmer. Alles ist freundlich, modern eingerichtet und bequem. Die Wohnung liegt im Stadtteil Columbia City südöstlich des Zentrums mitten in einem Wohngebiet, ein paar hundert Meter weiter liegen der Lake Washington mit dem Seward Park und im Viertel gibt es reichlich Einkaufsmöglichkeiten und kleine Cafés und Bäckereien. Per Light Rail oder Bus ist man in einer halben Stunde im Zentrum von Seattle.

Umgebung und Sehenswürdigkeiten werden aber bis morgen warten müssen, wir fallen nach dem vollen Programm gegen 10 in die Betten.



Boise nach Yakima, WA: 358,5 Meilen / 577 Kilometer
Yakima zum Mount Rainier National Park: 93,2 Meilen / 150 Kilometer
Mount Rainier nach Seattle, WA: 92 Meilen / 148 Kilometer

Michael

Hallo, ich bin Michael. Wenn ich nicht im Alltag mit Statistiken und Zahlen jongliere genieße ich es, die Welt zu erkunden.

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