TRUMPED! – Die USA, der Wahlkampf und Donald Trump

TRUMPED! – Die USA, der Wahlkampf und Donald Trump

Democracy Dies in DarknessThe Washington Post

Es ist soweit, heute um 12 Uhr Ortszeit wurde Donald Trump als 45. Präsident der Vereinigten Staaten in Washington vereidigt und übernimmt von seinem Vorgänger ein gespaltenes Land. Nicht nur für mich ist das eine Wendung, die ich mir vor einem Jahr nicht hätte ausmalen wollen und können. Nicht nur politisch, auch als Statistiker mit Erfahrung im Umgang mit Umfragen und Meinungsforschung war der erste Blick auf die Nachrichten am Morgen des 9. November der größte Schock des Jahres 2016.

Und was hat das jetzt genau auf einem Reiseblog verloren?

Ganz einfach: Ich hatte das Glück, mitten in der Hochphase des Wahlkampfs im August und September in den USA unterwegs zu sein. Auch wenn ich damals noch nicht für möglich gehalten hätte, dass ein Demagoge wie Trump trotz aller Skandale eine erfahrene Politikerin wie Hillary Clinton besiegen könnte, haben wir unterwegs natürlich Ausschau nach Zeichen des Wahlkampfs gehalten und natürlich kommt Politik auch immer wieder mit Amerikanern zur Sprache.

Nach der Wahl dann und wieder zurück in Deutschland wurde ich mehr als einmal darauf angesprochen, wie ich die Stimmung in den USA erlebt habe und ob es Anzeichen für die Überraschung gab.

Wie sieht Wahlkampf in den USA aus und was bekommt man als Tourist davon mit?

Hier muss man sagen: Es kommt darauf an. Durch das indirekte Wahlsystem mit dem Electoral College sind für die Kandidaten nur die stark umkämpften Swing States interessant. In den übrigen Staaten sind Auftritte der Kandidaten selten und auch die Ausgaben für Werbung fallen dort geringer aus. Wir waren ausschließlich in sicheren Hochburgen unterwegs: Washington und Oregon für die Demokraten, Idaho, Wyoming und Montana für die Republikaner.

Gleichzeitig mit der Präsidentschaftswahl werden aber auch die meisten Sitze im US-Kongress, mehrere Gouverneure, die Repräsentantenhäuser und Senate der Bundesstaaten bis hinunter zu den Räten und Exekutiven der Städte, Gemeinden und Counties gewählt, je nach Ort spielen sich also auf anderen Ebenen trotzdem spannende Wahlen ab.

Das aus deutschen Wahlkämpfen auffälligste Werbemittel, Plakate an Laternenmasten und auf öffentlichen Flächen, fehlt aber komplett. Die US-Variante ist das Yard-Sign, dass man sich vom Kandidaten seiner Wahl gegen eine kleine Wahlkampfspende bestellen kann und im eigenen Vorgarten aufstellt. Wahlweise auch eines für jedes Amt, zu dem man einen Favoriten hat. Viele Farmbesitzer hängen auch großflächig Planen an Silos oder Zäune, besonders gern am Rand von Highways, wo viel Verkehr vorbeikommt.

Seattle Yard Sign
Kein Vorgarten ohne Yard Sign: Zum Beispiel in Seattle für einen demokratischen Kandidaten zum US-Repräsentantenhaus

Wahlwerbung im Fernsehen ist in Deutschland gesetzlich geregelt, aber in den USA muss jeder Kandidat seine Sendezeit selbst bezahlen. Werbespots laufen deshalb nur gezielt dort, wo entscheidende Wählergruppen beeinflusst werden sollen. Je nach Stand der Wahlkampagne rühmen die Spots entweder den eigenen Kandidaten als verlässliches Paar Hände oder es wird mit düsteren Bildern und besorgtem Unterton der neueste Skandal des Gegners ausgebreitet:

Dieser ziemlich böse, aber effektive Spot von Hillary Clinton lief in einem McDonalds in Boise, Idaho. Der Umgangston und die Methoden sind jedenfalls rauer als in Deutschland.

Und gab es Warnzeichen für Trumps Sieg?

Im Rückblick ist mein Eindruck zumindest zwiegespalten:

Wir sind mehr als einmal im Gespräch mit Amerikanern auf das Thema des Wahlkampfs gekommen, aber ausnahmslos alle konnten oder wollten sich keinen Präsidenten Trump vorstellen. Auch damals stand die Möglichkeit, im schlimmsten Fall nach Kanada auszuwandern, hoch im Kurs. Ich war mir natürlich auch damals schon bewusst, dass Touristen aus California oder Washington nicht unbedingt repräsentativ für die USA insgesamt sind, aber auch wenn wir mit Menschen aus Pennsylvania oder Utah gesprochen haben waren diese allesamt politisch gut informiert und entsetzt über Trumps Auftreten im Wahlkampf. Aber offensichtlich war die Stichprobe nicht repräsentativ 🙁

Auffällig war aber die Verteilung der Wahlwerbung in Vorgärten und an Straßenrändern. Sogar in Washington State waren ausnahmslos Schilder für Trump zu sehen, wenn auch nur wenige. Werbung für Demokraten war nur für lokale Kandidaten zu sehen, zum Beispiel in Seattle oder in Montana. Die einzige direkte Werbung für Hillary war ein Auto mit einem Stoßstangenaufkleber für ihre Kampagne. Wirklich stutzig bin ich deswegen aber nicht geworden und habe mir das Ungleichgewicht dadurch erklärt, dass man auf dem Land wohl eher bereit ist, politisch Front zu beziehen als in der anonymen Großstadt. Im Nachgang könnte man aber schon durch die reine Zahl der Schilder darauf schließen, dass Trumps Anhänger deutlich enthusiastischer waren als die Anhänger von Hillary Clinton.

Wie kann man nur so jemanden wählen?

Die Frage stellt sich wohl auch der Großteil der US-Amerikaner, immerhin hat Trump nur 46% der Wähler und damit fast drei Millionen weniger Stimmen als Hillary Clinton hinter sich bringen können. Auch innerhalb seiner eigenen Partei ist er alles andere als unumstritten. Auch seine unfassbare Serie von Skandalen und Pannen perlte scheinbar ohne Folgen an ihm ab und konnte seine Anhänger nicht beeindrucken.

Trotzdem sollte man sich als Europäer nicht dazu herablassen, die Wahlentscheidung für Trump als Zeichen für politische Unreife und Dummheit abtun. Wer in den USA unterwegs ist erlebt den krassen Unterschied zwischen den florierenden, liberalen Metropolen und dem konservativen, landwirtschaftlich geprägten ländlichen Raum. Während die Metropolen unter Barack Obamas Präsidentschaft florierten, wurden tatsächlich viele Gebiete im Zentrum des Landes vom Aufschwung abgehängt und stecken im wirtschaftlichen Strukturwandel fest. Viele Menschen hier sehen in Trump deshalb die Lichtgestalt, die ihnen die Rückkehr alter goldener Zeiten, Jobs und Investitionen in die verfallende Infrastruktur verspricht.

Viele traditionell republikanisch wählende Amerikaner werden Trump auch nur mit gerümpfter Nase gewählt haben, in der Hoffnung, dass der Kongress und seine Minister den großmäuligen Demagogen schon in geordnete Bahnen lenken werden. Ob das klappt, bleibt zu sehen…

Und nun?

Sei froh, dass du nochmal drüben warst, wir wollten auch in die USA und schieben das jetzt erst einmal vier Jahre auf die lange Bank.

Oft gehört nach der Wahl, meiner Meinung nach aber der falsche Weg.

Zum Einen haben die USA als Reiseziel viel zu viel zu bieten, als dass man wegen jemandem wie Trump darauf verzichten sollte. Andererseits zeigen die Proteste und das Medienecho seit der Wahl, dass die Mehrheit der Gesellschaft weiterhin progressiv und offen eingestellt ist, besonders im Nordosten und Westen der USA, wo auch die meisten beliebten Reiseziele liegen. Ein Boykott würde also oft genau die Falschen treffen. Aber auch im erzkonservativen Utah wird die Grundidee der amerikanischen Demokratie nicht ernsthaft in Frage gestellt, auch wenn mandort schon seltsame Einstellungen zu Waffenbesitz und gesellschaftlichen Fragen vertritt.

Für alle, die in der Zwischenzeit ein Statement setzen wollen, meine Favoriten:

  • Vielleicht ein Cap oder ein Kaffeebecher für die nächste USA-Reise? Eine nette Auswahl gibt es zum Beispiel in diesem Shop
  • Wenn es ganz schlimm kommt helfen Humor und Youtube
  • Und vor allem: Stellung beziehen statt wegschauen! Nicht nur die USA haben ihre Populisten, auch in Deutschland steht ein hässlicher Wahlkampf ins Haus, in dem die Rückwärtsgewandten alles aufbieten werden. In 2017 gibt es mehr als genug Gelegenheiten, sich zu engagieren und sicherzustellen, dass Deutschland nach der Bundestagswahl nicht genauso verkatert aufwacht wie die USA am 9. November 2016.

Zumindest werden die nächsten vier Jahre alles, nur nicht langweilig. Außerdem, so lange dauert es gar nicht mehr bis zur Chance für die Wählerinnen und Wähler, den Fehler wieder zu bereinigen:

Michael

Hallo, ich bin Michael. Wenn ich nicht im Alltag mit Statistiken und Zahlen jongliere genieße ich es, die Welt zu erkunden.

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